Warum die Impfstoffentwicklung nicht allein den Pharmakonzernen überlassen werden soll, erklärt Virologe Florian Krammer im Interview.
Die Politik heftet sich die Erfolge in der Impfstoffforschung auf die Fahnen. Übertrumpft Impfstoffnationalismus globale Kooperation?
Man kann dieses Thema auf zweierlei Arten betrachten. Nehmen wir den sogenannten britischen Impfstoff: Der ist von der Oxford University entwickelt worden, aber jetzt in globalen klinischen Tests. Der Impfstoff wird von Astra-Zeneca, einem schwedisch-britischen Pharma-Konzern, auf den Markt gebracht, der wiederum mit dem Serum Institute of India (vgl. Artikel Seite 8) zusammenarbeitet.
Anderes Beispiel: Das deutsche Unternehmen Biontech kooperiert mit dem US-Pharmamulti Pfizer, um einen neuartigen mRNA-Impfstoff auf den Markt zu bringen, der in den USA und in Europa getestet wird.
Und die andere Seite?
US-Präsident Donald Trump preist Operation Warp Speed, der russische Präsident Wladimir Putin schwärmt vom Impfstoff Sputnik V. Solcher Impfstoffnationalismus und das Gerede um ein Impfstoff-Rennen ist nicht sehr produktiv. Als ginge es darum, wer den Impfstoff ein paar Wochen früher oder später am Markt hat!
Dabei braucht die Welt möglichst viele erfolgversprechende Impfstoffkandidaten. Das ist kein Rennen um die Nummer eins, sondern ein Rennen gegen das Virus.
Florian Krammer ist Virologe und forscht an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York.
Ein Problem scheint zu sein, dass die Vermarktung von Impfstoffen nicht sehr lukrativ – und damit für die Pharmaindustrie nicht so interessant ist.
Die schnelle Entwicklung der Impfstoffe ist nur deshalb möglich, weil substanzielle finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Da sind jetzt verschiedene Regierungen mit an Bord, die WHO, die Bill & Melinda Gates Foundation. Da fließt sehr viel Geld. Für Pharmakonzerne wäre das allein nicht machbar, weil sie aus dem Impfstoff keinen besonderen Profit schlagen werden können. Hohe Profite damit zu machen wäre aus meiner Sicht auch schlicht unethisch.
Inwiefern?
Die Produktion ist vielfach nach Indien und Asien abgewandert und es gab viele Unternehmensfusionen in diesem Bereich. Heute gibt es eine Handvoll großer Konzerne, und es kommen nur wenige kleine Firmen in diesem Bereich nach – was durchaus als Problem zu werten ist. Es gibt aber auch nationale Systeme, etwa das Instituto Butantan in São Paulo, Brasilien. Dort werden Impfstoffe fürs ganze Land hergestellt. Wofür es aber in jedem Fall öffentliche Unterstützung braucht, ist für die Entwicklung von Impfstoffen etwa zum Schutz vor Ebola. An einem solchen Impfstoff kann ein Pharma-Unternehmen überhaupt nichts verdienen, die Entwicklungskosten werden niemals wieder hereingespielt. Die Menschheit braucht diesen Impfstoff aber. Ich denke, da wird es ohne staatliches Engagement nicht gehen.
Interview: Thomas Seifert
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